Zirkadiane Rhythmusstörungen

Zirkadiane Rhythmusstörungen

Unser Leben ist Schwingung
und unterliegt vielen Rhythmen.

Die Wichtigsten davon sind durch die Erde und die sie umgebenden Planeten geprägt. Dadurch entstehen die Tageszeiten, die Meeresgezeiten und der Jahresverlauf. Andere wichtige, viel schneller verlaufende Rhythmen sind der Herzschlag und der Atemrhythmus sowie schnelle Eigenrhythmen von Zellen.

Wir sind Lichtwesen und wesentlich auf Sonnenlicht angewiesen. Wir werden daher alle durch den Tagesrhythmus auf einen 24-Stunden-Rhythmus (Circadian) eingestellt. Unser gesamtes soziales Leben richtet sich letztendlich danach. Vor der Ära des künstlichen Lichts war die Synchronisation durch das Sonnenlicht noch stärker, da im Dunkeln das aktive Leben zum Erliegen kam. In der heutigen Zeit wird die innere Uhr des Menschen durch Kunstlicht und schnelle Zeitzonenwechsel auf eine harte Probe gestellt. Der bekannte Chronobiologe Jürgen Aschoff hat bereits 1951 die externen Synchronisationsquellen wie z.B. das Sonnenlicht mit dem Wort „Zeitgeber“ benannt, das bis heute nicht ins Englische übersetzt wurde, da es in der angloamerikanischen Literatur dafür keinen eigenen Namen gibt.

In Bunkeruntersuchungen ohne Licht und Sozialkontakt wurde bereits in den 1960er und 1970er Jahren herausgefunden, dass der menschliche Eigenrhythmus durchschnittlich bei 25 Stunden liegt und durch den Zeitgeber Sonnenlicht auf 24 Stunden synchronisiert wird. Individuell kann er ohne Zeitgeber auch kürzer oder länger sein. Der Eigenrhythmus in Kombination mit dem Licht bestimmt zum Beispiel, wann die wichtigen Hormone Cortisol, Somatropin (Wachstumshormon) und Melatonin ausgeschüttet werden und wann das Temperaturminimum (in den frühen Morgenstunden) auftritt. Diese Rhythmen spielen für die Körperregulation eine wichtige Rolle. Auch die chinesische Medizin beschreibt mit der sogenannten Organ-Uhr eine wichtige Tagesrhythmik. Sowohl Meridiane als auch Organe haben feste Aktivitäts- und Ruhephasen.

Der Schlaf selbst hat einen eigenen 90-120-Minuten-Rhythmus. All diese Ultra- und Zirkadianen-Rhythmen prägen unser Leben. Ihr harmonisches Funktionieren ist eine unabdingbare Voraussetzung für Gesundheit und Wohlbefinden.

Die ICDS beschreibt folgende Störungen der Tagesrhythmik:

  • Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung vom Typ verzögerte Schlafphase (verzögertes Schlafphasen-Syndrom, Sleep Phase Delayed Syndrome)
  • Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung vom Typ vorverlagerte Schlafphase (vorverlagertes Schlafphasen-Syndrom, Sleep Phase Advanced Syndrom)
  • Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung vom Typ unregelmäßige Schlafphase (unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus)
  • Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung vom Typ freilaufender Rhythmus
  • Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung vom Typ Jet Lag
  • Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung vom Typ Schichtarbeit
  • Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung im Rahmen einer organischen Erkrankung
  •  Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung im Rahmen eines Medikamenten- oder Substanzmittelgebrauchs

verzögertes Schlafphasensyndrom

Bei dem verzögerten Schlafphasensyndrom (Sleep Phase Delayed Syndrome) neigen die Betroffenen dazu, sehr spät zu Bett zu gehen, da ihr Eigenrhythmus länger als 24 Stunden ist und sie sich schlecht synchronisieren lassen. Es kommt zu einer dauerhaften Phasenverschiebung des Eigenrhythmus. Dadurch haben sie Probleme, abends einzuschlafen – es wird immer spät. Dies hat zur Folge, dass sie lange ausschlafen müssen; manche schlafen oft bis Mittag. Im Gegensatz zum klassischen Insomniker (Schlafgestörten) schlafen sie aber zu einer bestimmten Uhrzeit in den frühen Morgenstunden ein und können dann gut durchschlafen. Diese Zeitverschiebung ist mit einem „normalen“ sozialen Leben oft schwer vereinbar. Deshalb suchen sich Betroffene oft berufliche Nischen (Künstler, Barbesitzer etc.) oder treffen besondere Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber. So hatte ich eine Lehrerin, die sich mit dem Schulleiter darauf verständigt hatte, freiwillig den unbeliebten Nachmittagsunterricht zu übernehmen, da sie vorher nicht in der Lage war, ordentlich zu arbeiten.

Die zirkadiane Störung manifestiert sich oft schon in der Kindheit und Jugend und die Betroffenen berichten, dass sie häufig zu spät zur Schule kamen und vormittags meist so müde waren, dass sie dem Unterricht nicht folgen konnten. Bis zu 0,15 Prozent der Bevölkerung leiden unter dieser Erkrankung, bei Jugendlichen kommt sie noch häufiger vor. Ich hatte etliche Jugendliche, deren Eltern einen Untersuchungstermin wegen erheblicher schulischer Probleme vereinbarten. Es stellte sich heraus, dass diese unter Schlafproblemen bei einem Sleep Phase Delayed Syndrome litten. Alle hatten erhebliche Schwierigkeiten, dem Unterricht in den Vormittagsstunden zu folgen.

Die erfolgreiche Behandlung ist nicht einfach. Als "Chronotherapie" bezeichnet man das Hinauszögern des Zubettgehens um drei Stunden pro Tag, bis eine adäquate Schlafzeit erreicht ist. Danach muss die Zubettgehzeit konsequent beibehalten werden. Unterstützt werden sollte dieser Therapieansatz mit gleichzeitiger Lichttherapie (mindestens 10000 Lux) am Morgen. Zusätzlich kann man Melatonin und hohe Dosen Vitamin B12 verabreichen. Die Wirksamkeit der gesamten Therapie hängt aber mit der Konsequenz der Einhaltung der Schlafhygiene zusammen. Durchbricht der Patient seinen neu gewonnenen Rhythmus am Wochenende oder in den Ferien, geht das Ganze von vorne los. Insbesondere bei Jugendlichen mit Sleep Phase Delayed Syndrome ist die Disziplin hierfür meist nicht vorhanden.

vorverlagertes Schlafphasen-Syndrom

Genau andersherum läuft das Ganze bei dem viel selteneren vorverlagertem Schlafphasen-Syndrom (Sleep Phase Advanced Syndrom). Hierbei gehen die Menschen früh zu Bett und wachen sehr früh auf. Auch hier kann man chronobiologisch eingreifen, indem man den Patienten jeden Tag drei Stunden früher zu Bett gehen lässt, bis die gewünschte Einschlafzeit erreicht ist. Ebenfalls sinnvoll ist die Unterstützung durch abendliche Lichttherapie (10 000 Lux) und eventuell durch Gabe von Vitamin B12. Die Symptome treten häufig auch im Alter auf und werden oft auf die mangelnden sozialen Kontakte geschoben. Dabei wird übersehen, dass auch soziale Kontakte Zeitgeber sind und insbesondere Senioren häufig nicht an die frische Luft bzw. ans Licht kommen. Somit fallen auch hier Zeitgeber weg.

Schlaf-Wach-Rhythmus

Beim Unregelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus kommt es zu einer freilaufenden Abweichung vom 24-Stunden-Rhythmus. Die Symptomatik betrifft oft retardierte Kinder oder Patienten mit dementiellem Syndrom. Der zirkadiane Schrittmacher ist dabei gestört und es kommt zu unregelmäßigen Schlafzeiten. Therapeutisch kann man versuchen, durch Einhalten der Tagesstruktur die sozialen Zeitgeber zu intensivieren. 

Rhythmus-Schlafstörung

Die Patienten mit einer zirkadianen Rhythmus-Schlafstörung vom Typ „freilaufender Rhythmus“ haben einen festen Tagesrhythmus, der weder durch Sonnenlicht noch durch soziale Kontakte beeinflussbar ist. Da der Eigenrhythmus meist um 25 Stunden liegt, gehen die Betroffenen jeden Tag ein oder zwei Stunden später zu Bett und verschieben ihren Tagesrhythmus um diese Zeitspanne. Dies ist mit einem „normalen“ sozialen Leben nicht wirklich gut vereinbar. Ich hatte in meinem Berliner Schlaflabor einen Künstler, der mit Tagesmüdigkeit und Schlafstörungen zu uns kam. Es stellte sich heraus, dass er einen fixen 25-Stunden-Rhythmus hatte. Da er Sozialhilfe bezog, gab es immer wieder Ärger, weil er die vom Amt festgesetzten Termine einfach verschlief. Da er sonst nur wenige Verpflichtungen hatte, konnte er arbeiten, wann er wollte – auch nachts. Er war somit relativ frei von Zeitgebern und lebte in seinem 25-Stunden-Rhythmus. Letztlich hat ihm eine morgendliche, 30 Minuten lange Lichttherapie geholfen. Da die Krankenkasse die Lampe nicht bezahlte, kam er über ein Jahr lang jeden Tag in die Klinik und las dort vor der Tageslichtlampe seine Zeitung, aber er war auf 24 Stunden synchronisiert. Das Syndrom tritt gehäuft auch bei Blinden auf.

Jet Lag

Das Thema Jet Lag ist heute allgemein bekannt. Im Zeitalter der Fernreisen und länderübergreifenden Arbeitsbedingungen wird viel und häufig weit geflogen. Eine Reise nach Australien dauerte in den 1930er Jahren noch mindestens drei Wochen. Zeit genug, die Uhr alle zwei Tage um eine Stunde vorzudrehen. Der Flug nach Osten dauert heute 16-18 Stunden und bringt unsere innere Uhr gewaltig durcheinander. Der Ostflug ist anstrengender, da er den Tag verkürzt. Die meisten Menschen haben einen internen 25-Stunden-Rhythmus. Es fällt uns also leichter, den Tag zu verlängern (also nach Westen zu fliegen). Wir benötigen mehrere Tage, um den Körperrhythmus umzustellen und bezeichnen die körperliche Reaktion darauf als Jet Lag.

Es resultieren daraus Ein- und Durchschlafstörungen, allgemeine Müdigkeit und Schlappheit, Übelkeit und Schwindelgefühl, Stimmungsschwankungen und Appetitlosigkeit. Damit verbunden ist eine verminderte Leistungsfähigkeit. Wer beruflich nur einige Tage in ferne Länder reist, tut gut daran, seinen heimatlichen Rhythmus beizubehalten. Wer länger bleibt, kann durch Einnahme von Melatonin (drei Tage vor Reiseantritt und drei Tage am Zielort; Einnahmezeit immer entsprechend dem gewünschten Einschlafzeitpunkt am Zielort) die Synchronisation beschleunigen. Schlafmittel können hilfreich sein. Aus meiner Sicht ist es auch sinnvoll, die Synchronisation bereits im Flugzeug zu beginnen und an Bord zu schlafen. Eventuell kann es auch sinnvoll sein, dafür ein kurz wirksames Schlafmittel aus der Z-Reihe einzunehmen. Wer häufig fliegt, sollte sich darüber bei einem chronobiologisch bewanderten Schlafmediziner informieren. Melatonin ist in Deutschland rezeptpflichtig, in anderen Ländern ist es frei in Drugstores erhältlich. 

Arbeit & Schlaf

Negativ auf unseren Tagesrhythmus wirkt sich auch Schichtarbeit aus. Das Thema ist sehr komplex und kann hier nicht umfassend dargestellt werden, da die Problematik von den angebotenen Schichtmodellen sowie der individuellen Verfassung des Arbeitnehmers abhängt. Allgemein kann gesagt werden, dass die Wechselschichten nicht länger als drei bis vier Tage dauern sollten, damit es nicht zu einer längerfristigen Umstellung des Tagesrhythmus kommt. Dennoch ist die Reaktion bei jedem Mensch unterschiedlich. Manche unserer Nachtschwestern wollten zum Beispiel Sequenzen von 14 Tagen Nachtdienst leisten, da sie sich so am besten auf diesen Rhythmus einstellen konnten. Sie haben ihr Leben vermutlich auf die Nacht ausgerichtet. Erfahrungsgemäß fällt der Wechsel der Schichten ab dem 35. Lebensjahr immer schwerer. Menschen, die älter als 50 Jahre sind, gehören aus meiner Sicht nicht mehr in den nächtlichen Schichtdienst, da die Umstellung mit zunehmendem Alter immer schwerer fällt. Insbesondere Nachtdienst ist mit einem erhöhten Krankheitsrisiko verbunden.

Neben Schlafstörungen gibt es eine Häufung an Herz- und Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Depressionen und Magengeschwüren. Dauerhafte Schichtarbeit ist psychisch und physisch belastend und behindert soziale Aktivitäten (Sport, Familie etc.). Die Betroffenen haben weniger Ruhezeiten und es besteht die Gefahr des körperlichen Raubbaus. In unserer Leistungsgesellschaft besteht zum Teil aus wirtschaftlicher Sicht die Notwendigkeit, Maschinen Tag und Nacht laufen zu lassen, dennoch sollte versucht werden, das Gut menschliche Arbeitskraft schonend einzusetzen. Man muss immer daran denken: Das Leben ist wie ein Marathonlauf. Nur wer seine Kräfte maßvoll einsetzt, hält lange durch. Wer also gezwungen ist, Nachtschichten zu leisten, sollte sich unbedingt beim Betriebsarzt oder einem spezialisierten Schlafmediziner zu dem Thema gesunder Schlaf beraten lassen. 

Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörung

Zirkadiane Rhythmus-Schlafstörungen im Rahmen einer organischen Erkrankung treten beispielsweise bei Blindheit, Depressionen, Zwangsstörungen, ADHS, Demenzen, Polytraumen und Fibromyalgie auf, um nur einige zu nennen. Die Beschwerden müssen in einem solchen Fall ganzheitlich im Zusammenhang mit der Grunderkrankung betrachtet werden und gehören in das Behandlungskonzept des darauf spezialisierten Arztes. 

zirkadiane Schlaf-Wach-Regulation

Von einigen Medikamenten wie z.B. Haloperidol wird berichtet, dass sie die zirkadiane Schlaf-Wach-Regulation stören können. Inwieweit dabei die Grunderkrankung eine Rolle spielt, muss im Einzelfall geprüft werden. Sicher ist, dass alle sedierenden Medikamente in den Schlaf-Wach-Rhythmus eingreifen. Gerade bei agitierten Patienten muss sehr darauf geachtet werden, wie, wann und in welcher Dosierung Medikamente gegeben werden. Häufig kommt es zu einer unbemerkten Aufsättigung und Speicherung im Körper und so zu einer nachfolgenden, nicht kontrollierbaren Überdosierung. 

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Schlafexperte München Pöcking

PÖCKING:
Dr. med. Dietrich Hasse

Im Hausarztzentrum
Starnberger See

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In der Praxis Nachmann
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